Anlageentscheidungen sollten auch ohne Steuersparmodelle Sinn machen

„Hunderttausende hatten sich Anfang der 90er-Jahre in der Goldgräberstimmung der Nach-Wende-Zeit bei Hausbesuchen raffinierter Anlagevermittler dazu überreden lassen, eine Immobilie im Osten als Steuersparmodell zu erwerben. Die Rechnung, die ihnen präsentiert wurde, schien offenbar überzeugend: steuerliche Verlustzuweisung im Jahr der Anschaffung und kalkulierbare Rendite durch Mieteinnahmen. Die jedoch blieben aus, die Bilder leer stehender Immobilien im Osten sprechen eine beredte Sprache.“

http://www.handelsblatt.com/archiv/wertlose-immobilien-kommentar-ernuechterndes-urteil/2170304.html

Meine Eltern und auch viele Bekannte meiner Freunde haben im Zuge der Wiedervereinigung auf Anraten Ihres Steuerberaters Immobilien in den damals für uns noch neuen Bundesländern gekauft. Die Begründung waren hohe Abschreibungen, wie in dem oben zitierten Artikel beschrieben. Die Banken und Berater und auch die Anleger haben in den ersten Jahren gut verdient. Dann kam die große Ernüchterung, teilweise sogar Privatinsolvenzen, da sich die überteuerten Immobilien ohne die Steuergeschenke nicht rechneten. Eine gute Anlageform oder Investition, ob in eine Immobilie oder auch einen Fonds (Wer erinnert sich noch an das Desaster der geschlossenen Schiffsfonds) sollte sich auch ohne Steuersparmodelle rechnen lassen. Eine Anlage sollte idealerweise auch betriebswirtschaftlich Sinn machen.

Ich betrachte steuerliche Einsparmöglichkeiten als zusätzlichen Bonus, der mich positiv überrascht, der mir aber auch wieder weggenommen werden kann. Meine Investitionen müssen sich rechnen vor und nach Steuern. Nur so minimiere ich das Risiko. Und so verhindere ich auch, 20 Jahre lang für eine mehrere 100km entfernte leerstehende Schrottimmobilie eines Bauträgers draufzahlen zu müssen. Das schlimme an den Steuersparmodellen ist oftmals, dass die Berater, Vermittler oder Verwalter der Anlagemodelle gerne in den Prospekten die Vorteile vor Kosten errechnen. Die eingesparten Steuern, auch wenn sie rein theoretisch zu 100% dem Anleger gehören sollten, teilt man dann gerne auf. Raus kommen Konstruktionen, in denen der Vermittler, zum Beispiel der Fondsverwalter oder die Versicherung, in keinem Szenario verlieren kann, der Anleger aber seine Rendite nur erreicht, wenn die sehr optimistischen Annahmen eintreten. Verkauft wird das ganze dann gerne als: Das kostet sie gar nichts, sie geben uns einfach nur einen Teil der Steuerersparnis weiter. Ohne diesen Vertrag würden sie die Steuer ja zahlen, mit diesem Vertrag sparen sie 50.000 Euro Steuern, und sie geben mir nur 10.000 Euro. Sie verdienen also 40.000 Euro. Ein gerade neu aufgelegtes Beispiel dazu sind Anlage/ Versicherungen rund um das Betriebsrentenstärkungsgesetz. Niemand, der rechnen kann, würde 700 Euro Abschlusskosten für einen 100 Euro im Monat Sparvertrag unterzeichnen. Wenn ich jetzt zu meiner Hausbank gehen würde und denen sage: Hallo ich würde gerne 100 Euro im Monat sparen und in einen Fonds einzahlen, dann sagt die Bank: Gerne! Und das ganze kostet mich nichts. Hier aber, weil das ganze so typisch Deutsch BRSG abgekürzt wurde und nicht einfach vom Staat gefördertes Sparen genannt wird, soll ich über 700 Euro einem Verkäufer zahlen? Eine Abschlussgebühr? Für ein relativ unkompliziertes Produkt? Es ist immer wieder eine verrückte Welt, in der wir leben. Da ich nicht vorhabe, bis 72 zu arbeiten, muss bei mir jede Investition auf eigenen Beinen stehen.

 

In meinem Master war eine Discounted Cashflow ( DCF) Analyse eines der wichtigsten Kriterien für eine Anlageentscheidung. DCF nimmt die Ab- und Zuflüsse eines Assets und zinst diese ab mittels eines Zinssatzes, dessen Höhe von der Risikoart des Assets abhängt. Ein Abfluß wäre beim Kauf einer Wohnung zum einen der einmalige Einsatz eines größeren Brocken Kapitals. Dann folgen noch Grunderwerbsteuer, Maklergebühren (diese sind verhandelbar), eventuelle Renovierungsarbeiten etc. hinzu. Die Zuflüsse sind die monatlichen Mieten, abzüglich der nicht umlagefähigen Nebenkosten und eventueller Rücklagen. Bei den Steuersparmodellen kommen dann noch gerne weitere Verlustvorträge hinzu, wie zum Beispiel Beratergebühren, Abschlußgebühren etc. Manchmal gibt es, ähnlich wie bei der BRSG, auch Garantien, zum Beispiel Mietgarantien. Diese muss natürlich auch jemand bezahlen, im Zweifelsfall der Anleger. Damit konnte man sehr genaue Zuflüsse berechnen, und das ganze war „todsicher“. Hohe Berater, Abschluß und Garantiekosten werden refinanziert durch hohe Steuereinsparung, das Gebäude oder die Lage spielen dann schon gar keine Rolle mehr. So wurden dann Anfang der 90er in Berlin, Leipzig und vielen weiteren Städten hunderte von Gebäude saniert, gebaut oder aufgeteilt, und es hat bis 2008 gedauert, bis der Überhang verdaut war und die nächste Phase losgehen konnte.

Wir haben jetzt schon wieder eine sehr lange Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs, verbunden mit sehr niedrigen Zinssätzen und einem hohen Bevölkerungswachstum. Gerade in solchen Phasen ist es besonders ratsam, den euphorischen Prognosen der Fonds, Banken und Versicherungen nicht Glauben zu schenken, sondern die Kosten der vorgeschlagenen Immobilie oder der privaten Vorsorge genau zu verstehen und zu vergleichen. Wenn eine Investition sinnvoll ist, geringe laufende Kosten hat und zusätzlich steuerliche Vorteile bietet, dann kann der Zinseszinseffekt (Link) für langfristige hohe Wachstumsraten sorgen. Wenige gute Investitionen, die man lange halten kann sind der beste Weg, um für seine Unabhängigkeit vorzusorgen. Im Zweifel sind passive Investitionen in ETF-Sparpläne besser als die ausgefuchsten Steuermodelle, bei denen nur die Berater verdienen.

2 thoughts on “Anlageentscheidungen sollten auch ohne Steuersparmodelle Sinn machen”

  1. Hi Christian,

    Ich finde es immer wieder erstaunlich mit welchem Selbstverständnis Investments mit Steuerersparnissen schöngerechnet werden.
    Natürlich muss ein Verkäufer verkaufen. Deswegen bedient er sich jedes Arguments, dass er finden kann.
    Aber wie du sagst, muss man da sehr genau aufpassen. Wenn ein Investment nur rentabel ist, weil ich Steuern sparen kann, dann ist es kein gutes Investment. Sonst ist man nur eine kleine Änderung im Steuerrecht entfernt von einem Desaster.

    Viele Grüße

    Peter

    1. Hi Peter,

      auch erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit Verkäufer Summen für sich reklamieren, die in % der Anlagesumme oder der Gesamtsparsumme gerechnet werden. Obwohl die Arbeit eigentlich die gleiche ist, wird bei einem hohen Bausparer eine sehr viel höhere Abschlussgebühr fällig. Also zum Beispiel 1,6% der Bausparsumme. Diese Gebühr sollte ein Festpreis sein, vielleicht ein Stufenpreis, aber keine prozentuale Gebühr der noch anzusparenden Summe.

      Bei mir war es sogar so, zugegebenermaßen bei einem kleinen Vertrag, abgeschlossen mit Anfang 20, das die Sparzinsen im heutigen Umfeld attraktiv waren. Dann wollte mir aber die Kasse kündigen, da der Vertrag voll angespart war. Um im Angelsächsischen zu bleiben. Heads the bank wins, tails, the Bank wins.

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