Die Rente ist das größte finanzielle Klumpenrisiko vieler Menschen in Deutschland

Die Rente ist für viele Deutsche insbesondere der mittleren Einkommensklassen der wichtigste und größte Teil Ihres Vermögens. Allerdings ist die Rente in Deutschland nur ein Anspruch auf zukünftige Zahlungen und kein eigenes Vermögen, das als Sicherheit bei einem Hauskauf oder zur Unterstützung der eigenen Kinder herangezogen werden kann.

Die Rente in Deutschland ist wieder einmal eine Versicherung, in die ich immerhin jeden Monat 18.6% meines Bruttoverdienstes einzahle, bis zu einer Höchstgrenze von (EDIT) 6700 Euro im Monat. Viele Anhänger der FIRE-Bewegung (Financial Independence and Early Retirement) in den USA diskutieren eine Sparqote von über 50%. Da es in Amerika keine verpflichtende Rentenversicherung gibt, dürfen Arbeitnehmer dort einen Teil ihrer Vorsteuereinnahmen bis ca. 18.000 USD im Jahr plus Arbeitgeberanteil in ihr individuelles Rentenkonto einzahlen. Dies wird in Aktien oder Fonds angelegt und arbeitet dann wie jede andere Anlage für den einzelnen. Bei 60.000 Euro Brutto Jahresgehalt in Deutschland entsprechen die 18,6% 11.160 Euro, die man jedes Jahr einzahlt.

Allerdings baue ich mir damit kein eigenes Vermögen auf, sondern kriege Ansprüche. Diese ändern sich leider mit der Zeit. Zum Beispiel wird seit 2012 die Altersgrenze, ab der man Rente beziehen kann, von 65 auf 67 Jahre angehoben. Auch die Wiedervereinigung hat die Rente der Beitragszahler im Westen erst einmal Geld gekostet, denn die Rentenversicherung hatte auf einmal mehr Ansprüche zu bewältigen. Manchmal entscheidet sich der Staat auch, auf einmal Renten zu besteuern.

Der entscheidende Nachteil der Pflichtrentenversicherung ist die absolute Machtlosigkeit des Individuums gegenüber Makroökonomischen und Politischen Entscheidungen.

Wenn jeder einzelne, wie in den USA, selber vorsorgen würde, dann wären die besagten 10.000 Euro im Jahr nach 30 Jahren bei 6% durchschnittlicher Verzinsung 790.581,86 Euro wert, 300.000 Euro davon selbst eingezahltes Kapital, der Rest Zinsen und Zinseszinsen. Die 4% Regel besagt, dass ich dauerhaft 4% des angelegten Geldes entnehmen kann, ohne den Kapitalstock zu gefährden.

Damit hätte ich für die 790.581,86 Euro die Chance auf eine Leibrente von 31.623,74 Euro im Jahr oder 2635,28 Euro im Monat (Brutto).

Vor allem könnte ich nach 30 Jahren Arbeit ohne irgendetwas anderes angespart zu haben bei einem zugegebenermaßen anständigen Gehalt von 60k in den Vorruhestand gehen. Vielleicht nicht in München, aber in manch günstigeren Ecken des Landes komme ich mit 2600 Euro alleine aus.

Nicht so mit der Rente, hier muss ich mindestens 45 Jahre einzahlen, um mit 63 ohne Abschlag in Rente zu gehen. Und wenn ich 45 Jahre lang den absoluten Höchstsatz eingezahlt habe, komme ich auf eine rechnerische Höchstrente von 2.742 Euro (dann aber netto, ausser es wird doch noch versteuert) im Monat.

Ich finde es relativ schockierend zu sehen wie ich ähnliche Ansprüche in 30 Jahren mittels Investments erreichen kann wie mit der Deutschen Rentenversicherung in 45 Jahren.

Das schlimmste an der Kalkulation ist jedoch die absolute Inflexibilität der Rentenansprüche, ich werde frühestens mit 67 Jahren in den Genuss meiner über 40 Jahre Einzahlungen kommen, denn ich habe 5 Jahre studiert und erst Mitte zwanzig angefangen zu arbeiten.

Ich kann weder vorzeitig aus dem System aussteigen, obwohl ich mit 50 schon mehr als genügend eingezahlt haben sollte. Die Politik kontrolliert wer in die Solidargemeinschaft aufgenommen wird und schafft so kontinuierlich neue Ansprüche. Diese müssen von den Einzahlungen der immer kleiner werden voll beitragszahlenden Arbeitnehmer geleistet werden.

Das Klumpenrisiko Rente ist für den einzelnen Arbeitnehmer ohne ein eigenes Vermögen extrem hoch. Fast die gesamte Alterssicherung ist bei der Rentenversicherung geparkt, ohne Möglichkeit Einfluß auf die Höhe, Allokation und den Zeitpunkt der Inanspruchnahme zu haben.

Da ich plane, mit 50 finanziell unabhängig zu sein und idealerweise von meinen passiven Einkommen zu leben, ist es natürlich besonders ärgerlich zu wissen, dass ich dann 25 Jahre lang im Schnitt ca. 10.000 Euro im Jahr in ein Finanzinstrument einzahlen musste, das weder Rendite noch Sicherheit bietet. Über 500.000 Euro Vermögen sind damit verschwunden und tauchen hoffentlich als kleine Rente im Jahre 2042 wieder auf. Dann habe ich schon 17 Jahre lang von meinen Ersparnissen, die ich zusätzlich zu den 10k im Jahr auf die Seite gelegt habe, gelebt. Ich befürchte aber, dass das Rentenalter noch ein paarmal angehoben wird, und rechne also lieber nicht mit einer signifikanten Zahlung, habe also fast 500.000 Euro als weitere Steuer abgeschrieben.

Die meisten Menschen können das nicht einfach so sagen, dessen bin ich mir bewußt. Für alle die zum Großteil die Rente als Hauptvehikel Ihrer Finanzplanung für die Zeit nach der Arbeit gewählt haben ist es noch ein langer und sehr unsicherer Weg. Jede Erhöhung des Rentenalters, jede Reduzierung der Rentenansprüche erhöht die Unsicherheit.

Ich bin mir sicher ich habe hier den ein oder anderen Denkfehler drin, denke aber das das Bild insgesamt leider so aussschaut.

11 thoughts on “Die Rente ist das größte finanzielle Klumpenrisiko vieler Menschen in Deutschland”

  1. Servus. Ich bin auch kein Freund davon, die Kontrolle über Teile meines Arbeitslohns abzugeben. Immerhin verkaufe ich dafür Teile meiner knappen Lebenszeit. Und ich hasse es, hohe Gebühren an die Finanzbranche zu zahlen. Man bekommt meist keine faire Gegenleistung. Immerhin bei der Kosteneffizienz schneidet die gesetzliche Rentenversicherung gut ab. Größtes Pro-Argument: Rentner sind eine wichtige Wählergruppe und durchaus käuflich.

    1. Danke für den Kommentar. Wie würdest du die Kosteneffizienz bei der Rente messen? Das ist eine interessante Überlegung, denn in der Tat sind hier ja keine hochbezahlten Investmentbanker angestellt, zumindest soweit ich weiß.

    1. Hallo Marcus, entschuldige die späte Freischaltung, aber es gibt einen Spam-Ordner für Kommentare, in dem du aus Versehen gelandet bist, man lernt nie aus. Die Besteuerung der Rente wäre ja ein weiterer Wahnsinn, da sie ja zu 26% (in 2017) schon aus Steuern bezahlt wird. Aber gut, ein weiterer Grund, selber vorzusorgen.

  2. Interessante Beobachtung, allerdings würde ich empfehlen, niemals mit Nominalrenditen zu rechnen, sondern immer mit Realrenditen. Die Inflation beträgt in Deutschland durchschnittlich 2,5 % p. a..

    Zu den renditen: Man sollte eben nicht alles in Aktien stecken, sondern einen zu definierenden Teil sicherheitsorientiert, damit die Vola niedriger wird.

    Bei deinen Berechnungen zum benötigten Frühverrentungsgeld solltest du auch berücksichtigen, dass diverse Kosten dann voll aus deiner Tasche zu zahlen sind (Krankenversicherung etc.?) – hier habe ich mich noch nicht schlau gemacht 8weil ich kein frühes Ausscheiden plane), aber das wird gerne vergessen bei den Berechnungen.

    Dass der Staat mit der Rente willkürlich verfährt, ist bedauerlich, genauso könnte er aber auch mit Kapitalerträgen willkürlich verfahren. es handelt sich also nicht um ein Argument gegen die gesetzliche Rente.

    1. Hallo Alex,

      vielen Dank für den Kommentar, du hast vollkommen recht. Laut dem unabhängigen Portal Finanztip hat man zum Beispiel mit einem ETF auf den MSCI Welt im Schnitt eine Nominalrendite von 7,7% bei einem Anlagezeitraum von mindestens 15 Jahren erzielt.

      https://www.finanztip.de/presse/pm-finanztip-msci-world-rendite/

      bei 2,5% durchschnittlicher Inflation wären damit nur 5% Realrendite auf diesen doch recht langen Zeitraum mit einem gewissen Anlagehorizont möglich. Dies ist auch die Nettowertentwicklung ohne Wiederanlage von Dividenden. Bei thesaurierenden Fonds ist die Realrendite also höher, da sind die 6% möglich, allerdings vor Steuern.

      https://www.finanztip.de/indexfonds-etf/msci-world/

      Für Frugalisten ist Inflation, zumindest die vom Staat gemessene, jedoch nur teilweise relevant. Denn der durchschnittliche Warenkorb und das Kauf- und Konsumverhalten auf dem Weg zu Finanzieller Unabhängigkeit unterscheiden sich doch sehr stark. Auch das ist eine Idee für einen längeren Post, danke dir dafür 😉

      Sicherheitsorientiert sind bei mir andere Anlageformen, wie zum Beispiel meine erzwungene Rentenversicherungsanlage. Die ist für viele Menschen in Deutschland die einzige Sicherheit, so gesehen kann ich alle zusätzlichen Mittel auch in Aktien investieren, denn bei einem langen Zeithorizont haben Aktien Anleihen immer geschlagen.

      Mit der Krankenkasse und den anderen zu erwartenden Kosten hast du auch recht, das wird sicher mal ein eigener Post, da bin ich auch noch nicht ganz klar in dem was hier möglich ist. Das ist sicherlich ein sehr wichtiger Punkt, aber in Deutschland (vielleicht) einfacher zu lösen, als in anderen Ländern.

      Zu deinem letzten Punkt: Der größte Unterschied zwischen Kapital und Rentenversicherung ist für mich Eigentum vs. Versicherung. Bei der Rentenversicherung wird mittels einer künstlichen Währung (den Punkten) ein Ausgleich zwischen Beitragszahlern und Empfängern geschaffen, der intransparent und für den einzelnen auch nicht steuerbar ist. Dass die Ausbildung angerechnet wird, dass kein Kapitalpolster geschaffen wird, obwohl klar ist, dass sich das Verhältnis Einzahler zu Rentnern verschlechtern wird, macht die Versicherung viel anfälliger. Staatliche Garantien, die nur durch Subventionen durch Steuern zu halten sind, verunsichern mich noch mehr. Schon 2017 waren 26% der Rentenausgaben nicht mehr durch Einnahmen sondern nur noch durch Steuerzuschüsse gedeckt.

      https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/steuerzahler-traegt-ein-drittel-der-gesetzlichen-rente-15060061.html

      Danke für den Kommentar, der mich zum nachdenken gebracht hat.

      Viele Grüße

      Christian

  3. Ich liebe meinen 401k aus den USA. Und habe ihn so voll gemacht wie ich nur konnte.
    Leider gibt es so ein Vehicle hier nicht. Das wäre mal eine Möglichkeit um Altersarmut anzugreifen.

    Aber so etwas wird sich in Deutschland nicht durchsetzten können befürchte ich.

  4. Hallo Christian,

    nur kurz zu den unklaren Punkten:
    – die 5.500 € mtl. Bemessungsgrenze von der du schreibst, galt 2010. im Jahr 2019 sind wir schon bei 6.700 € mlt.
    – deine Berechnung und Vgl. mit den USA hinkt natürlich, weil 50% des Beitrags dein AG zahlt (also 9,3%) – die bekommt ein Angstellter in USA nicht.
    – dass die gesetzliche Rente bereits heute zu versteuern ist, schrieb bereits ein anderer Kommentator.
    Zudem ist die Rente natürlich sozialversicherungspflichtig. D.h. es werden Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge fällig.

    Da solltest du zu deinen eigenen Berechnungen noch einige Punkte ergänzen.

    Beste Grüße
    Stefan

    1. Hallo Stefan,

      danke für Deine Punkte. Die Beitragsbemessungsgrenze ist in der Tat inzwischen schon bei 6700 € monatlich, d.h. alles darüber ist beitragsfrei. Und in der Tat zahlt der Arbeitgeber 50%, also:

      Arbeitgeberanteil: 6.700 € x 9,30 % = 623,10 €
      Arbeitnehmeranteil: 6.700 € x 9,30 % = 623,10 €

      Aber ich bin gleichzeitig Arbeitgeber und Arbeitnehmer und würde argumentieren, dass die ca. 20% Lohnnebenkosten in meiner Rolle als Arbeitgeber immer in meinen Überlegungen enthalten sind. Wenn ich also überlege, welche Gehälter wir uns leisten können, oder Projektkalkulationen mache, dann immer mit Bruttolohn mal 1,2.

      Für mich als Arbeitnehmer ist es umgekehrt, wenn ich mir überlege, was ich mir leisten kann, dann rechne ich mit meinem Nettogehalt, also dem was bei mir auf dem Konto ankommt. Wenn es möglich wäre, privat anstatt gesetzlich vorzusorgen mit den gleichen Konditionen, dann hätte ich also vor Steuern etc. 623,10 € mal 2 = 1246,20 € für meine private Altersvorsorge zur Verfügung. Unabhängig wer zahlt.

      Denn der Arbeitgeberanteil kostet natürlich genauso den Arbeitnehmer etwas. Es schaut nur anders aus.

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