Tobias hatte folgendes zu meinem Beitrag „Frugalismus beim Start ins Berufsleben“ kommentiert:
„Mit großem Interesse habe ich die bisherigen Einträge hier gelesen. Ich spiele auch aktuell mit dem Gedanken in Richtung FIRE zu gehen. Allerdings fehlen mir hier die „Startpunkte“. Hast du vielleicht Empfehlungen für Tools mit denen man sich eine Übersicht über Einnahmen / Ausgaben verschaffen kann? Wie bist du hier vorgegangen, was waren deine ersten Schritte?“
Der Weg zur finanziellen Unabhängigkeit ist lang und daher sind die Tools um sich zu motivieren und Fortschritte zu erkennen sehr wichtig.
Für mich war der logische erste Schritt zuallererst eine Bestandsaufnahme meiner finanziellen Gesamtsituation vorzunehmen. Als technisches Tool habe ich dafür Excel genutzt.
Seitdem wiederhole ich das einmal im Monat, immer rund um den gleichen Tag, also zum Beispiel den 8. des Monats. Am 8. sind Gehaltseingang, die Mietzahlungen und andere regelmäßigen größeren Bewegungen für den Monat erledigt. Die monatliche persönliche Bilanz bietet einen ersten Überblick und man kann relativ schnell Trends erkennen. Ich bin dabei recht pragmatisch und schaue mir nicht mein Einkommen und meine Ausgaben in dem Monat an, sondern einfach nur meine Konten und meine Eigentumswerte an.
Hier könnt ihr meine Beispieldatei herunterladen:
Ich fange an mit Bargeld und Bargeld-ähnlichen Werten:
Das heißt ich trage den Kontostand meines Girokontos und meines Sparkontos an diesem Tag in das Excel ein. Ich schätze, wieviel Geld ich in Bar im Geldbeutel oder daheim habe und trage das auch ein.
Als nächstes kommen physische Wertgegenstände dran.
Also ist eine Zeile der aktuelle Wert der Wohnung in der ich wohne und die nächste Zeile der Wert der vermieteten Wohnung. Es gibt Puristen, die sehen eine selbst bewohnte Immobilie nicht als Teil ihres Vermögens, aber dem stimme ich nicht ganz zu, denn ich bin durchaus bereit die Wohnung zu verkaufen, wenn der Preis stimmt oder sich meine Lebenssituation verändert. Natürlich wäre es toll ich hätte ein abbezahltes Haus in München und müsste mich nur noch um meine Lebenshaltungskosten kümmern, aber soweit bin ich noch nicht.
Die Werte der Immobilien passe ich nur einmal im Jahr an, dafür nutze ich zum Beispiel ein Tool wie den homeday Preisatlas, hier kann man eine genaue Adresse eingeben und bekommt einen Quadratmeterpreis in dem Wohnblock zurück. Man muss das Ergebnis natürlich selber einordnen, aber es kommt eine relativ gute Näherung der öffentlichen Angebote heraus. Ich weiß ja, was ich selber gezahlt habe und mit ein wenig Marktkenntnis und die sollte bei einer eigenen Investition vorhanden sein kann ich einen Quadratmeterpreis schätzen. Für meine Wohnung in Berlin, http://munichfire.com/mieten-oder-kaufen-in-muenchen-oder-berlin, gibt Homeday 3250 Euro den Quadratmeter im Schnitt für den Wohnblock aus. Ich reche für mich mit 3000 Euro, da die Wohnung nicht renoviert ist. Aber immerhin sehe ich dass die Quadratmeterpreise in dem Viertel von Berlin in den letzten 12 Monaten um 13% gestiegen sind.
Ich bewerte auch meine Möbel, zumindest die, die etwas wert wären. Bei mir sind das sehr wenige. Wenn ich aber auswandern würde, dann würde ich sie verkaufen und dafür zum Beispiel noch 3000 Euro bekommen. Das trage ich dann ein. Wenn man andere kleinere werthaltige Dinge besitzt, wie Schmuck oder ähnliches, sollte das hier auch rein.
Mein Auto wird natürlich auch eingetragen, ist ja schon in dem Post http://munichfire.com/warum-sollte-man-keine-neuen-autos-kaufen-oder-warum-der-wertverlust-von-neuwagen-die-groesste-geldvernichtung-der-mittelklasse-ist genauestens beschrieben. Es ist jetzt noch ca. 5000 Euro wert, schätze ich.
Nachdem ich den Block eigentlich jeden Monat einfach nur kurz kopiere muss ich beim nächsten Bereich nachschauen, denn bei meinen Investments ist eine öffentliche Bewertung vorhanden: Bei den Aktien und ETFs schaue ich einfach in meiner comdirekt Bank-App nach. Die Bewertung ist in letzter Zeit etwas unerfreulich, da viele Aktien in 2018 gefallen sind.
Ich habe noch eine eigene GmbH, diese besitzt auch gewisse Aktiva und damit einen Wert, den ich mir einmal ausgerechnet habe und auch nur weiterkopiere.
Ich habe in 2017 einmal ein wenig mit bitcoins rumgespielt, bin aber Ende 2017 auch wieder ausgestiegen, weil es zu spekulativ war. Deren Wert habe ich aber auch bei Investments eingetragen.
Ich summiere jeden Block und dann alle Blöcke zusammen und habe so eine Zahl, die mein Vermögen vor Abzug der noch kommenden Schulden darstellt.
Als Anhänger der FIRE-Bewegung und maßvoller Frugalist zahle ich natürlich keinem Unternehmen Zinsen für die Finanzierung von Konsumgütern wie Autos oder Waschmaschine. Jeder, der eine solche Finanzierung in Anspruch genommen hat, sollte sich sehr genau überlegen, wie er diese so schnell wie möglich ablöst oder zumindest umschuldet, denn die Zinsen bzw. Gesamtfinanzierungskosten sind meist zu hoch. Oder das Auto und die Waschmaschine sind zu teuer für den eigenen Geldbeutel. Man kann wunderbare Geräte gebraucht kaufen, es gibt funktional einwandfreie Geschirrspüler für 100 Euro bei Abholung. Wenn aber die 1500 Euro Miele nur 39 Euro im Monat kostet schlägt das Herz des ambitionierten Waschmaschinennutzers schneller und es wird zu viel gekauft.
Also sind meine Kredite in Summe hoch, da ich meine Immobilien finanzieren musste, aber ich habe keinerlei Konsumkredite oder ähnliches. Hinter meinen Krediten liegen höhere Werte dahinter. Da ich jeden Monat die Kredite tilge, zwischen 1% und 2% pro Jahr abhängig vom Vertrag, sinken diese Schulden jeden Monat, und ich trage am achten des Monats eine wenn auch nur leicht geringere Zahl ein. Das freut mich jedesmal ungemein und macht die Übung alleine aus dem Grunde wertvoll.
Ich habe eine Kreditkarte, die ich für Online-Einkäufe, Drive-Now und auf Reisen nutze. Die Kreditkartenbilanz wird automatisch am Ende des Monats von meinem Girokonto abgebucht. Trotzdem ist die noch offene Rechnung natürlich ein Passiva und wandert als Schulden bei der Bank oder dem Kreditkarteninstitut in mein Excel.
Das Excel summiert automatisch alle meine Passiva auf, diese ziehe ich von den Aktiva ab und bekomme direkt eine Zahl, nämlich mein aktuelles Nettovermögen.
Dies steigt in den meisten Monaten, manchmal sinkt es auch, und um in Erinnerung zu behalten, warum die Monate so unterschiedlich ausfallen habe ich ein Kommentarfeld, in dem zum Beispiel steht: Steuererstattung xy Euro, oder Autoreparatur xy Euro. Auch Urlaube, Elternzeit oder Boni werden hier eingetragen. Wenn ich eine Neubewertung vornehme, dann trage ich das auch ein, schließlich hat das einen relativ hohen Effekt auf mein Vermögen.
Ich habe noch ein paar weitere Zeilen, wie Nettovermögen ohne meinen Hauptwohnsitz.
Die FIRE-Bewegung und auch der ein oder andere Vermögensberater sehen 4% als optimale Entnahmegröße bei einem 100% Aktien-Portfolio mit extrem geringen Gebühren über einen langen Zeitraum. Das heißt natürlich ein breiter Index mit einem geringen Kostenfaktor. Ich habe zum Beispiele Anteile an dem Comdirect MSCI Welt (https://www.comdirect.de/inf/etfs/detail/uebersicht.html?ID_NOTATION=26562449) gekauft. Dieser hat laufende Kosten von 0,2% und ist sehr breit gestreut. Der Wertzuwachs gleicht die Entnahme aus, so dass über einen ausreichend langen Zeitraum, also 20-30 Jahre, die Höhen und Tiefen der Unternehmensbewertungen sich ausgleichen und der langfristige Wertzuwachs die 4% übertreffen sollte. Da ich in 1999 angefangen habe in Aktien zu investieren, und in 2001 meinen ersten Schock erlebt habe, bin ich da eher noch vorsichtiger, aber ich plane ja auch nicht aufzuhören, zu arbeiten.
Beispiel Dokument:
Persönliche Bilanz | |||
Datum | 8.1.2019 | 8.2.2019 | |
Kommentare | |||
Besitz | |||
Cash | |||
Geldbeutel | |||
Girokonto | |||
Sparkonto | |||
Depotkonto | |||
Sachwerte | |||
Möbel | |||
Auto 1 | |||
Immobilie 1 | |||
Immobilie 2 | |||
Investments | |||
Aktiendepot | |||
Anteile an Unternehmen | |||
Bitcoins etc. | |||
Wert Besitz | |||
Schulden | |||
Langfristige Schulden | |||
Waschmaschine | |||
Immobilie 1 | |||
Immobilie 2 | |||
Kurzfristige Schulden | |||
Kreditkarte | |||
Anderes | |||
Summe Schulden | |||
Nettovermögen: Gesamtbesitz – Gesamtschulden | |||
Wert Hauptwohnsitz (Wert – Schulden) | |||
Nettovermögen ohne Hauptwohnsitz | |||
Vermögenszuwachs seit Beginn der Aufzeichnungen | |||
Vermögenszuwachs pro Monat | |||
Nettoeinkommen | |||
Savingsrate | |||
Bruttoeinkommen mit 4% Regel |
Als Excel:
Hallo Christian,
vielen Dank für deine super Blogbeiträge. Finde es super wie du in den Beiträgen auch auf Details eingehst. Also mach bitte weiter so 🙂
Ich beschäfte mich seit 1,5 Jahren mit dem Thema „Finanzielle Freiheit“. Bisher habe ich zwei Jahresbilanzen angelegt. Dabei ist es allerdings vor allem für Einsteiger wie mich schwer die Entwicklung des Eigenkapitals zu überblicken. Seit ich deinen Eintrag gelesen habe hab ich nun schon zwei Monatsbilanzen angerfertigt und bin ehrlich gesagt erstaunt wie viel Klarheit das zum Einen bringt und zum Anderen wie sehr das Motiviert (vorausgesetzt das Depot entwickelt sich in die richtige Richtung ;-))
Hi Tobias,
Danke für die netten Worte, das freut mich sehr, gerade weil ich noch relativ neu bin und vieles ja auch schon gesagt wurde von anderen, erfahreneren Bloggern. Es macht mir aber Spass zu schreiben, auch wenn es nicht immer einfach ist, die Zeit für neue Artikel zu finden. Umso besser, dann so ein Lob wie Deines zu lesen. Das motiviert mich sehr, dass ich hier eine kleine Hilfe geben konnte.
Hallo Christian,
mich würde deine Meinung zum Thema Vermögensaufbau (ETF) vs. Darlehen interessieren.
Ist es nicht uU. sinnvoller zunächst einige Jahre die Tilgung hochzuschrauben, statt spekulativ ETFs zu ordern?
Beste Grüße
Basti
Hi Basti,
bei den Wohnungen die ich vermiete, kann ich die Zinskosten von der Steuer absetzen und habe sehr günstige langfristige (10 Jahre) Kredite mit 1,5% Tilgung. Da ich mir in den 10 Jahren eine höhere Rendite von den ETFs erwarte, als ich Zinsen zahle für die Kredite, gehe ich das Risiko (das der Staat steuerlich belohnt) ein, langsamer zu tilgen. Durch die Wertzuwächse der Immobilien ist meine relative Verschuldung zusätzlich gefallen. Ob das ganze aufgeht, kann ich noch nicht sagen. Im Notfall muss ich eine Wohnung dann (steuerfrei nach 10 Jahren) verkaufen und tilge idealerweise die Restschulden der Immobilie, die ich bewohne.
In vielen Interviews mit FIRE-Bloggern werden Opportunitätskosten als größter finanzieller Fehler genannt. Also nicht investieren, als die Bedingungen günstig waren. Das sehe ich auch so.
Solange Immobilien selbst in guten Lagen immer noch 3% Rendite abwerfen und Geld im 10 Jahresbereich unter 1% kostet, stellt sich dem geneigten Betrachter doch nur die eine Frage, wo bekomme ich verdammt nochmal die 100 Mio EUR her, um mal richtig zu investieren.. In welchem Sektor der Geldanlage ergibt sich bitte die Möglichkeit mit fremdem Geld eine Rendite einzufahren? Denk nicht über Tilgung nach, sondern über mehr Schulden !! Thats the way ,,,
Ich habe alleine in 2019 auf diesem Wege mehr „verdient“ als in meinem Hauptjob und dort verdiene ich nicht schlecht..